Kategorie: Kongo Müller

Fazit 2011

In einer Dokumentation über Hollywood und seine Regisseure sagt ein Filmemacher sinngemäß, das Drehen und die Postproduktion wären für ihn meistens die reine Hölle; nicht zu Drehen sei dagegen allerdings einfach nur erbärmlich. Eine gute Zustandsbeschreibung für jene Leere, die auf jede Abnahme, also jedes Loslassen eines Filmes an dem man monate- wenn nicht jahrelang gearbeitet hat, erstmal zwangsläufig folgen muß. Die lange intensive filmische Beschäftigung mit so extrem unterschiedlichen Biographien wie mit jener des Schurken „Kongo Müller“ und andererseits mit dem Leben von Wolfgang Hilbig, einem „schwierigen“ wie hochpoetischen, verletzlichen wie verletzenden Menschen, bedeutet Verschleiß. Hinter jedem dieser Themen standen jedoch Menschen. Protagonisten, die ein Stück ihres Lebens dem Filmemacher und dessen „Projekt“ gewidmet haben, in dem sie Auskunft gaben; sich vor laufender Kamera erinnerten, reflektierten, in sich gegangen sind. Ihnen sei Dank. Die Begegnung und die Arbeit mit diesen Menschen ist eine unermeßliche Bereicherung für uns Dokumentarfilmer. An sie zu denken, füllt die Leere nach dem Sendetermin. Merci, merci beaucoup.

Kritik von Eberhard Reuß auf SWR2 zu „Hilbig. Eine Erinnerung“
Reuß liest

Abgedreht, geschnitten, abgenommen und bald „versendet“

Zwei Filme sind innert eines halben Jahres fertig gestellt: „Kongo Müller Eine deutsch-deutsche Geschichte“ für ZDF/Arte und „Hilbig. Eine Erinnerung“ für ZDF/3sat. Zwei höchst unterschiedliche Personen im Portrait. Der eine ein Schurke der Weltgeschichte. Der andere ein wunderbarer Dichter. Den Kongo Müller sah ich als Kind heimlich durchs Schlüsselloch in „Der lachende Mann“ von Walter Heynowski und Gerhard Scheumann; er, Major Siegfried Müller, war das Schreckgespenst meiner DDR-Kindheit.

Wolfgang Hilbig (1941-2007) wiederum ist für mich der DDR-Autor, welcher am eindrücklichsten und zugleich hoffnungslosesten die literarische Landschaft des Ostens beschreibt: hier ist kein Phantasieraum für Reformen, kein Glaube mehr an Systemverbesserung. Der Ist-Zustand einer geschundenen Gegend muß reichen als Poetikmaterial, und Hilbig schürfte in ihr wie kein zweiter.

Jürgen Hosemann, Hilbigs letzter Lektor, resümiert im Interview für mich sehr treffend und sehr bewegend über Hilbig: „Sein Nachbild ist in meinen Augen immer noch unverändert stark, und das wird jeder bestätigen, der mit ihm Umgang hatte, es verblaßt irgendwie gar nicht, und vor allem sein Werk kommt mir ganz unzerstörbar vor. Obwohl so vieles, was er geschrieben hat, lange nicht mehr auf der Welt ist, längst nicht mehr existiert, habe ich das Gefühl, daß seinem Werk die Zeit wenig anhaben kann, wahrscheinlich weil es immer schon unzeitgemäß war, dieses Werk. Ich glaube, die Zeit fließt einfach drumrum.“

Beide Filme gaben mit die Gelegenheit eindrückliche, großartige, liebenswerte Menschen kennenzulernen, die mir gewissermaßen einen kleinen Teil ihres Lebens schenkten und uns, dem Team, meistens mehrere Stunden –wenn nicht Tage– Rede und Antwort standen, sich engagierten, im besten Sinne mit-wirkten. Ich danke Euch/Ihnen allen von Herzen! Pressetexte auf unserer Link-Seite auf ar-film.de